Wirtschafts- und Menschenrechtsfälle, die verschleppt, ignoriert oder von einflussreichen Akteuren blockiert wurden
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Pestizide, Waffengeheimnisse und Leuchttürme des Widerstands

APRIL 2024 | NEWSLETTER 103

„Lieferkettengesetz? Kann weg!“ – so der populistische Slogan im deutschen Wahlkampf. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht nun tatsächlich, das Gesetz werde abgeschafft. Doch ein genauer Blick zeigt: Ganz so einfach ist es nicht. Die EU-Regeln gelten weiterhin, und auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bleibt zuständig – Beschwerden sind also weiter möglich. Dennoch: Der politische Angriff auf das Gesetz war erfolgreich. Vor allem Unternehmerverbände diffamierten es als „Bürokratie-Monster“, um verbindliche Sorgfaltspflichten zu verhindern – und lenkten so geschickt von der Bürokratie ab, mit der Betroffene entlang globaler Lieferketten kämpfen müssen, wenn sie ihre Rechte einfordern wollen.


In diesem Newsletter lesen Sie von Wirtschafts- und Menschenrechtsfällen, die verschleppt, ignoriert oder von einflussreichen Akteuren blockiert wurden. Die Bürokratie schützt hier oft die Mächtigen, indem sie Informationen zurückhält oder Verfahren in die Länge zieht. Die Leidtragenden: Menschen in Minen, Fabriken, Kraftwerken und Kriegsgebieten, die kaum eine Chance haben, sich gegen ihre Ausbeutung zu wehren.


The ECCHR Team

Transparenz über Ausbeutung und Umweltzerstörungen die in einem Produkt stecken – auch das leisten Lieferketten-Gesetze © Illustration: Alina Günter

Kompromisslos für Verantwortung

„Menschenrechte können nicht warten!“ Mit diesen Worten kommentierte Miriam Saage-Maaß (ECCHR) die Entscheidung des EU-Parlaments, die Lieferkettenrichtlinie CSDDD frühestens ab Mitte 2027 in Kraft treten zu lassen. Diese Verschiebung gefährdet weltweit Menschen, die unter ausbeuterischen Bedingungen für europäische Profite arbeiten – und trägt zur weiteren Erosion dessen bei, was Menschenrechte und jede rechtebasierte Gesellschaft im Kern ausmacht: ihre universelle Gültigkeit.


Anders gesagt: Pestizide, die in Lebensmitteln für europäische Konsument*innen verboten sind, dürfen auch die Menschen nicht gefährden, die diese Lebensmittel anbauen. Arbeitsschutz, der in hiesigen Fabriken selbstverständlich ist, wird nicht zum entbehrlichen Luxus, nur weil die Produktion südlich des Äquators liegt. Unsere Partner*innen im Globalen Süden wissen das genau.


Dort verteidigen Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen und viele andere weiterhin ihre Rechte – auch wenn das weder in die politische Agenda der künftigen Bundesregierung noch in die Konjunkturlage der EU passt. Und es wirkt wenig glaubwürdig, dass multinationale Konzerne, die mühelos jede neue Finanzmarktregulierung umsetzen, ausgerechnet bei menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht überfordert sein sollen. Viele Unternehmen haben sich längst, ganz ohne Bürokratie-Geklage, auf die ursprünglich ab Sommer geplante Umsetzung vorbereitet. Gemeinsam ihnen und all jenen, die Verantwortung übernehmen, setzen wir uns weiter dafür ein, dass Menschenrechte nicht dem Profitstreben oder politischem Kalkül geopfert werden – und wir werden nicht nachlassen: Das Lieferkettengesetz und alle verfügbaren Instrumente nutzen wir entschlossen, um gemeinsam mit Betroffenen und Partnern weltweit der Ausbeutung durch Unternehmen entgegenzutreten.

Auf der richtigen Seite

Als Fördermitglied des ECCHR leisten Sie einen wichtigen Beitrag, um langfristig und unabhängig gegen Menschenrechtsverletzungen vorgehen zu können – sowohl hier in Deutschland als auch an Orten, die oft nicht im medialen Rampenlicht stehen. Vor allem aber stehen Sie solidarisch an der Seite der Betroffenen und unterstützen deren unermüdlichen Kampf um Gerechtigkeit.

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WIRTSCHAFT UND MENSCHENRECHTE

Giftige Exporte aus Europa: Pestizid-Fall in Indien geht weiter

Die Nutzung gefährlicher Pestizide ist in der EU und der Schweiz seit einigen Jahren verboten. Dennoch werden viele dieser Chemikalien weiterhin in andere Teile der Welt exportiert, insbesondere in den Globalen Süden, obwohl die verheerenden Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt bekannt sind. 2017 wurde im zentralindischen Yavatmal der Zusammenhang zwischen einer Reihe tödlicher Vergiftungen und dem Pestizid Polo aufgedeckt. Angehörige der Betroffenen und ein Überlebender reichten 2021 Klage gegen den Schweizer Hersteller Syngenta ein und forderten Schadensersatz. Es ist die erste Zivilklage aus dem Globalen Süden gegen einen Agrochemiekonzern aus dem Globalen Norden im Zusammenhang mit einer Pestizidvergiftung – ein Präzedenzfall. Kürzlich fand eine gerichtliche Anhörung statt, um festzustellen, wie das Verfahren weitergeht: Entweder es kommt zur Beweisaufnahme, oder das Gericht prüft zunächst, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftung Syngentas erfüllt sind. In jedem Fall wird das Verfahren nun endlich fortgesetzt.


Mehr zum Fall

Jemen: Geheimhaltung bei Rüstungsexporten führt zu exorbitanten Rechtskosten

Drei jemenitische Kläger sahen sich aufgrund anhaltender Untätigkeit der Behörden und fehlender Transparenz dazu gezwungen, ihre Klagen gegen deutsche Rüstungsexporte an die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Militärkoalition zurückzuziehen. Luftangriffe der Koalition haben über sieben Jahre hinweg unvorstellbares Leid, Tod und Zerstörung unter der Zivilbevölkerung im Jemen verursacht. In Zusammenarbeit mit dem ECCHR und Mwatana legten die Kläger daher Widerspruch bei dem zuständigen deutschen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gegen die Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter ein, die in den Luftangriffen eingesetzt werden. Nachdem dieser Widerspruch nach zwei Jahren Stillstand abgelehnt wurde, reichten sie im Mai 2024 Klage vor dem zuständigen Landgericht ein. Zwar erhielten sie dadurch Einsicht in relevante Akten – alle wichtigen Informationen waren jedoch geschwärzt. Das Gericht entschied daraufhin, sämtliche potenziell relevanten Genehmigungen zu prüfen, was die Prozesskosten drastisch in die Höhe trieb. Angesichts dieses unberechenbaren finanziellen Risikos sahen sich die Kläger gezwungen, das Verfahren nicht weiterzuführen. Der Fall zeigt exemplarisch, wie staatliche Geheimhaltung nicht nur den Zugang zum Rechtsschutz behindert, sondern auch die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Waffenexporten nahezu unmöglich macht.


Mehr zum Fall

Schädliches Palmöl: Edeka ignoriert weiterhin die Fakten

Spätestens seit 2019 ist der Supermarktkette Edeka bekannt, dass es entlang der Lieferkette der von ihnen vertriebenen Palmöl-Produkte zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Selbst als im Januar 2024 eine Beschwerde über Landraub, unzulässig niedrige Löhne und Verschmutzung des Trinkwassers beim guatemaltekischen Zulieferer NaturAceites einging, reagierte das Unternehmen nicht. Daraufhin reichten Mitglieder betroffener indigener Gemeinden in Guatemala mit Unterstützung von foodwatch und ECCHR eine Klage beim zuständigen Bundesamt, BAFA, nach dem deutschen Lieferkettengesetz ein. Das Gesetz sieht vor, dass Edeka mit den betroffenen Gemeinden Rücksprache halten muss, um Maßnahmen zur Abhilfe zu schaffen. Bisher jedoch hat das Unternehmen nicht einmal Kontakt zu ihnen aufgenommen.


Mehr zum Fall

VÖLKERSTRAFTATEN UND RECHTLICHE VERANTWORTUNG

Demonstrierende in Damaskus fordern das Ende der Tötung von Zivilisten in der Küstenregion. © Joumana Seif

Brief aus Damaskus #2

Nach zwölf Jahren im Exil konnte die Menschenrechtsanwältin und ECCHR Senior Legal Advisor Joumana Seif erstmals nach Syrien zurückkehren. In ihrem zweiten Brief aus Damaskus beschreibt sie die rasanten Entwicklungen der letzten Wochen: Die neue Übergangsverfassung, die Einigung mit den Kurd*innen im Nordosten und die furchtbaren Massaker in der alawitisch geprägten Küstenregion. In regelmäßigen Abständen wird Joumana Seif allen interessierten Abonent*innen dieses besonderen Newsletters regelmäßig von den Hoffnungen und Ängsten der Menschen in Syrien berichten: Wie die Aufarbeitung der Verbrechen voranschreitet, welche Themen die Zivilgesellschaft bewegen und wie sie den politischen Alltag in Damaskus seit dem Sturz Assads wahrnimmt.


Lesen Sie hier den zweiten Brief aus Damaskus

Ein Schlag gegen das Völkerrecht

Der Besuch von Israels Premier Netanyahu in Ungarn ist ein Schlag gegen das Völkerrecht. Ein EU-Staat, der trotz eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) mutmaßliche Kriegsverbrecher empfängt und gleichzeitig den IStGH verlässt, stellt die Glaubwürdigkeit internationaler Strafjustiz infrage. „Wer heute wegschaut, wenn Orban das Völkerrecht aushebelt, muss morgen zusehen, wie andere ihm folgen“, warnt Alexander Schwarz (ECCHR). 


Unser Q&A gibt einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen der Haftbefehle, die Zuständigkeit des IStGH, die Bedeutung des Komplementaritätsprinzips und die völkerrechtlichen Pflichten von Mitgliedstaaten wie Deutschland – besonders in einer Zeit, in der die Realpolitik zunehmend mit dem universellen Gerechtigkeitsanspruch kollidiert.


Lesen Sie unseren Offenen Brief zum Schutz des Völkerrechts an die Koalitions-Verhandlungsgruppe.

FÜR GLOBALE GERECHTIGKEIT

Die Welt ist nur gerecht, wenn Menschenrechte universell gelten und

verwirklicht werden. Dafür kämpfen wir weltweit:
mit Betroffenen, mit Partner*innen, mit juristischen Mitteln.
Vielen Dank, dass Sie uns helfen, dieses Ziel zu erreichen.

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BORDER JUSTICE

Beweisvernichtung und verweigerter Rechtsschutz

Pushbacks zielen darauf ab, Menschen vom Schutz des Gesetzes auszuschließen, und erfolgen durch geheimes, informelles Vorgehen. Diese Praxis verhindert auch das Sammeln und Bewahren von Beweismaterial – etwa durch die Beschlagnahmung und Zerstörung von Mobiltelefonen oder das Fehlen jeglicher Dokumentation über die Behandlung der betroffenen Personen. Genau darum geht es im Verfahren A.A.N. et al v Griechenland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Eine Gruppe Syrer*innen wurde auf der griechischen Insel Symi festgenommen und an einem entlegenen Ort festgehalten. Dort entwendeten ihnen maskierte Beamte ihre Mobiltelefone und zwangen sie zurück aufs Meer. Eine der Betroffenen war auf diese Weise in einer Kette von Pushbacks zurück nach Syrien gezwungen worden. Das ECCHR hat in diesem, mit Unterstützung von Refugee Support Aegean und Pro Asyl geführten Verfahren eine Drittintervention wegen Beweisvereitelung und ausbleibender wirksamer Ermittlungen eingereicht.


Lesen Sie die Drittintervention

INSTITUT FÜR JURISTISCHE INTERVENTION

Spotlight Argentinien: Leuchttürme des Widerstandes

Die Leugnung und sogar Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen durch politische Machthaber nimmt in mehreren Ländern in alarmierendem Maße zu. Dieses Spotlight im ECCHR-Living Open Archive beleuchtet den bis heute währenden Kampf der argentinischen Zivilgesellschaft und ihrer internationalen Verbündeten um Wahrheit, Erinnerung und Gerechtigkeit. Seit die Regierung Milei die offizielle Erinnerungskultur und die Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur gezielt angreift, stehen diese Akteur*innen massiv unter Druck. Der multimediale Beitrag wirft zudem einen Blick auf internationale Solidarität als Gegenstrategie – und auf die historischen Verflechtungen zwischen der extremen Rechten in Argentinien und Deutschland. Eine Allianz, die bis heute jede Bemühung um Gerechtigkeit und Verantwortung untergräbt.

 

Living Open Archive - Spotlight Argentina

ECCHR

Veröffentlichung des ECCHR-Jahresberichts 2024 im Mai

Neben einem Überblick über unsere Arbeit im Jahr 2024, befasst sich dieser Jahresbericht mit dem zunehmenden globalen Druck neoliberaler und autoritärer Kräfte gegen zivilgesellschaftliches Engagement und progressive Politik – sowie mit Strategien, diesem entgegenzuwirken.


Schreiben Sie eine E-Mail an presse@ecchr.eu um eine Druckversion zugeschickt zu bekommen.


Eine digitale Version des Jahresberichts finden Sie bald auf unserer Website.

© Pavel1964/Canva 

Das ECCHR-Laufteam beim Berliner Halbmarathon 2025

Der Berliner Halbmarathon 2025 ist geschafft – und unser Laufteam hat Großartiges geleistet! Noch immer sind wir überwältigt von der Energie, der Begeisterung und dem Einsatz unserer Läufer*innen. Es war inspirierend zu sehen, wie viele für die Menschenrechte an den Start gegangen sind und gemeinsam ein starkes Zeichen für Gerechtigkeit gesetzt haben.

 

Ein Dankeschön an alle, die gelaufen sind, uns angefeuert oder mitgefiebert haben! 

Weil es so schön war, sind wir auch 2026 wieder dabei. Die Infos dazu folgen.

VERANSTALTUNGEN

Wie das Internet helfen kann, Kriegsverbrecher zur Verantwortung zu ziehen

Open Source Recherche – also die Suche nach Videos, Fotos und Audiomitschnitten im Internet und den sozialen Medien – kann helfen, Verbrechen ans Licht zu bringen. Wir haben sie beispielsweise in Verfahren gegen Pushbacks genutzt, im Fall der russischen Bombardierung des Theaters in Mariupol oder auch im Kontext unserer Arbeit zur Aufarbeitung der Verbrechen in Syrien. Dabei haben wir unter anderem wertvolle Einblicke gewonnen, welche Faktoren darüber entscheiden, ob Gerichte Beweise aus dem Internet anerkennen. Darüber spricht Arne Bardelle (ECCHR) im diesjährigen taz lab mit Haneen Kebrith (Mnemonic/Syrian Archive) und Christian Mamo (OSINT for Ukraine).


26.4.2025, 09:00, frizzforum, Friedrichstraße 23, 10969 Berlin


Weitere Informationen

Lesung und Gespräch: Nichts sagen. Nichts sehen. Nichts hören.

Ein Lärmkrieg, in dem sowohl demokratische Grundwerte als auch gewissenhafte Sprache Schaden nehmen, so empfindet die Schriftstellerin Kathrin Röggla die Entwicklung gesellschaftlicher Diskurse. Sie hat dazu ein Buch geschrieben und diskutiert es mit Wolfgang Kaleck (ECCHR) und dem Journalisten Ulrich Noller.


28.4.2025, 19:30, Literaturhaus Köln, Großer Griechenmarkt 39, 50676 Köln 


Weitere Informationen

Antidiskriminierung Revisited – Paradoxe Verflechtungen

Ob es nun um Transpersonen oder von Rassismus betroffene Gruppen geht – die Diskreditierung hart erkämpfter Antidiskriminierungspolitik ist zunehmend Teil der rechten Agenda, nicht nur in den USA. Gleichzeitig sind sich autoritäre Machthaber nicht zu schade, angeblichen Schutz vor Diskriminierung als Grund anzuführen, wenn es darum geht, ihre Kritiker*innen mundtot zu machen. Ausgerechnet im deutschsprachigen Kontext wird auch der Vorwurf des Antisemitismus vereinnahmt, um etwa die Kritik an gegenwärtigen Kriegsverbrechen Israels und Verstößen gegen das Völkerrecht zu unterbinden. Welche neuen Fragen sich daraus für Antidiskriminierungspolitik ergeben diskutiert Wolfgang Kaleck (ECCHR) mit Deborah Feldman (Autorin von Judenfetisch, 2023), Monika Mokre (Politikwissenschaftlerin und migrationspolitische Aktivistin) und Isabel Frey (Ethnomusikologin und Gründerin der jüdisch-arabischen Friedensinitiative Standing Together Vienna).


8.5.2025, 18:00, Universität für Musik und darstellende Kunst, Anton-von-Webern-Platz 1, Wien


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On Justice #4 Umbau des Rechtsstaats von rechts

Der Rechtsstaat – lange als Garant für Freiheit, Gleichheit und die Einhegung politischer Macht verstanden – gerät zunehmend ins Visier politischer Umgestaltungsversuche. In Europa und weltweit gibt es eine wachsende Bewegung von rechts, die nicht auf einen offenen Bruch mit seinen Prinzipien abzielt, sondern auf einen schleichenden Umbau des Rechtsstaats von innen heraus. Die vierte Ausgabe der HAU-Diskursreihe beleuchtet diese gezielte Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien durch rechte Akteur*innen, insbesondere im Umgang mit Migration, und entwickelt Strategien zur Verteidigung des liberalen Rechtsstaats.


21.5.2025, 19:00, HAU1 Hebbel am Ufer, Stresemannstraße 29, Berlin 


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Anwält*innen als „Gatekeeper” – Zwischen Ethik und Rechtsstaatlichkeit

Gesetze, die Einfluss auf Regierungshandeln oder unternehmerische Geschäftsmodelle haben, werden selten stillschweigend befolgt – auch dann nicht, wenn sie aus guten Gründen längst durch demokratisch gewählte Gremien verabschiedet sind. Das zeigt sich in Europa und Deutschland aktuell besonders bei den Lieferketten-Regelungen, aber auch gegen Sanktionsregelungen oder Anti-Geldwäsche-Gesetze ist der Widerstand interessierter Kreise garantiert. Deren Druck trifft zunehmend auch Anwält*innen, die in politisch umstrittenen Bereichen tätig sind. Wie sie dabei sowohl ihren ethischen Verpflichtungen als auch der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit Genüge tun können, ist Thema eines Fachgesprächs mit Miriam Saage-Maaß (ECCHR), im Rahmen der Jahrestagung des Deutschen Anwaltsvereins. Sie diskutiert mit Prof. Dr. Matthias Kilian (Direktor des Instituts für Anwaltsrecht der Universität zu Köln) und Prof. Dr. Jonathan Soeharno (Universität Amsterdam).


5.6.2025, 11:00, ECC Estrel Congress Center Sonnenallee 225, Berlin


Weitere Informationen und Anmeldung

Deutsche Waffenexporte nach Israel

Der aktuelle Gaza-Krieg wirft drängende Fragen zur Rechtmäßigkeit deutscher Waffenexporte nach Israel auf. Die israelischen Militäroperationen im Gaza-Streifen nach dem 7. Oktober 2023 haben eine humanitäre Krise von historischem Ausmaß verursacht. Die umfassend dokumentierten Angriffe auf Schulen, Krankenhäuser und Moscheen sowie die weitreichende Zerstörung ziviler Infrastruktur haben nicht nur zehntausende Palästinenser*innen getötet, sondern auch die Lebensgrundlage der Überlebenden für die kommenden Jahre vernichtet. Im Rahmen der RAV-Jahrestagung diskutiert Alexander Schwarz (ECCHR) mit Lisa Wiese (Universität Leipzig) über die völkerrechtlichen Dimensionen des Krieges in Gaza und die diesbezügliche Fallarbeit des ECCHR.


14.6. 2025 17:00, Campus der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, Jahnallee 59, Leipzig


Weitere Informationen und Anmeldung

VERGANGENE VERANSTALTUNGEN

Doppelstandards im Völkerrecht

Wolfgang Kaleck (ECCHR) nahm an einer Podiumsdiskussion an der New School in New York teil, die sich mit Doppelstandards und internationalem Recht im Zusammenhang mit Russland, Syrien und Israel befasste. Zudem wurde die Rolle transnationaler Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen thematisiert. Die New School veranstaltet regelmäßig Diskussionsrunden mit internationalen Referent*innen, die sich interdisziplinär für gesellschaftlichen Wandel einsetzen. Die Veranstaltung war Teil einer Reihe zur Dekolonialisierung internationaler Beziehungen.


Mehr über das Podium und die Veranstaltung

On Justice #3 – My Body, my Rights

Spätestens wenn sie schwanger werden, erfahren Frauen, dass Selbstbestimmung über den eigenen Körper noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Weltweit leben 111 Millionen Frauen in Ländern, in denen Abtreibungen unter keinen Umständen legal sind. Weiteren 662 Millionen dürfen nur abtreiben, wenn andernfalls ihr Leben oder ihre Gesundheit auf dem Spiel stünden. Selbst dort, wo ein Schwangerschaftsabbruch gesetzlich erlaubt ist, geraten die dazu nötigen Einrichtungen zunehmend unter Druck durch rechte Politik. Im Rahmen der vom ECCHR mitveranstalteten Gesprächsreihe diskutierten Aktivist*innen und Jurist*innen aktuelle Erfolge und Rückschläge im Kampf um ein Recht, das die Mehrheit der europäischen Zivilgesellschaft weiterhin für selbstverständlich hält.

                           

Mehr zur Veranstaltungsreihe

Ökonomie der Gewalt: Der Fall Argentinien

Am 24. März 1976 putschte sich die argentinische Militärdiktatur an die Macht. Etwa 30.000 Menschen verschwanden in geheimen Folterlagern, Hunderttausende wurden gefoltert oder ins Exil getrieben. Die mühsam erkämpfte Aufarbeitung der Verbrechen ist unter der autoritär-neoliberaler Regierung Mileis nun akut bedroht. Mit seiner “Kettensäge” demontiert er nicht nur den Sozialstaat, sondern auch die Erinnerungskultur. Am 49. Jahrestag des Militärputsches kamen wir deshalb zusammen, um über die Geschichte und Zukunft des anhaltenden Kampfes der argentinischen Gesellschaft für Wahrheit, Erinnerung und Gerechtigkeit zu diskutieren. Zeitgleich demonstrierten Zehntausende auf den Straßen Argentiniens – vereint unter dem Motto „Nunca más“ fürs Gedenken und gegen das System Mileis. Beeindruckende Bilder, die wir aus Berlin live verfolgen konnten.


Mehr über das Podium und die Veranstaltung

Menschenrechte verteidigen

Der rechtliche, politische und soziale Druck, dem Menschenrechtsverteidiger*innen in Deutschland und im Ausland ausgesetzt sind, war Thema der diesjährigen Keynote-Diskussion im Hertie Centre for Fundamental Rights. Es diskutierten Hanaa Hakiki (ECCHR) mit Mary Lawlor, Sonderberichterstatterin über die Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen, Luise Amtsberg, Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Carla Hinrichs, Klimaschutzaktivistin der Letzten Generation.


Aufzeichnung der Veranstaltung

Das Weltrechtsprinzip: Auf dem Weg zur Gerechtigkeit

Seit zwanzig Jahren können Staaten Völkerstraftaten auch dann juristisch aufarbeiten, wenn diese weder auf ihrem Hoheitsgebiet begangen wurden, noch Staatsbürger*innen direkt involviert sind. Bei der Anwendung und Weiterentwicklung des Weltrechtsprinzips hat Deutschland bislang eine wichtige Vorreiterrolle eingenommen, unter anderem mit dem Koblenzer Prozess gegen hochrangige Täter des Assad-Regimes, an dem auch das ECCHR beteiligt war. Zukünftig sei vor allem darauf zu achten, doppelte Standards zu vermeiden, so Andreas Schüller (ECCHR) auf einer Podiumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung.


Mehr über das Podium und die Veranstaltung

Verantwortung für Verbrechen gegen Migrant*innen

Migrant*innen aus Subsahara-Staaten werden in Nordafrika regelmäßig und systematisch von Sicherheitskräften misshandelt – und die EU stellt diesen Kräften weiterhin finanzielle Unterstützung und Ausrüstung zur Verfügung. In vielen Fällen handelt es sich bei solchen Übergriffen um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für die bisher niemand zur Rechenschaft gezogen wurde. In einer Nebenveranstaltung zur 58. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats sprachen fünf Expert*innen über diese schwerwiegende Straflosigkeit, darunter ECCHR-Partner David Yambio (Refugees in Libya).


Mehr über das Podium und die Veranstaltung

Revision des Römischen Statuts des IStGH: Stärkung der Zuständigkeit für das Verbrechen der Aggression

Im Rahmen einer Reihe von Regionalkonferenzen in Afrika, Lateinamerika und Asien, organisiert von den Außenministerien Deutschlands, Polens und Estlands diskutierten Rechtsexperten, darunter Isabelle Hassfurther (ECCHR), über die Erweiterung der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshof für das Verbrechen der Aggression.


Mehr zu diesem Thema

Migrations-Narrative: Gefangen in Rassismus und Kolonialismus?

Mit internationalen Expert*innen aus unterschiedlichen Disziplinen diskutierte Hanaa Hakiki (ECCHR) über Narrative der Migration. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob es möglich ist, von "Migration" zu sprechen, ohne die koloniale und rassistische Aufladung des Begriffs weiterzutragen. Sowohl die Podiumsteilnehmer*innen als auch das Publikum berichteten von persönlichen Erfahrungen mit grenzüberschreitender Mobilität und zeigten Möglichkeiten auf, universelle Menschenrechte jenseits defizitorientierter Narrative und der Sprache der Migration zu denken.


Mehr über das Podium und die Veranstaltung

Wie weiter mit der Globalisierung?

Dass Wirtschaft und Politik sich schnell auf Veränderungen der internationalen Produktions- und Handelsbedingungen einstellen können, zeigt sich aktuell an den Reaktionen auf die US–Importzölle. Umso fragwürdiger ist die seit Jahren behauptete Unfähigkeit, etwas umzusetzen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte – die Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferkette. Darüber sprach Miriam Saage-Maaß (ECCHR) mit Melanie Müller (Stiftung Wissenschaft und Politik) beim Forum offene Gesellschaft der diesjährigen Leipziger Buchmesse.


Mehr über das Podium und die Veranstaltung

PUBLIKATIONEN

ECCHR, REDRESS, Civitas Maxima, CJA, FIDH, and TRIAL Internationl

Universal Jurisdiction Annual Review 2025

TRIAL International, 2025

 

Alexander Schwarz

Netanjahu in Ungarn: Inszenierung des Rechtsbruchs

Table Media, 31 März 2025


Wolfgang Kaleck
Völkerrecht versus gute Geschäfte
Berlin Review No 9, März 2025


Miriam Saage-Maaß
Menschenrechte sind keine Bürokratie
Tagesspiegel Background, 20. Februar 2025


Arne Bardelle
“No safe haven” is not enough – universal jurisdiction and Russia’s war of aggression
EJIL:Talk!, 26. Februar 2025


Theresa Mockel
Edeka wegen Palmöls am Pranger
Spiegel, 28. Februar 2025


Joumana Seif
"Wir sind vorbereitet"
Medico international, 3. März 2025


Fallbeschreibung: Kampf gegen Rüstungsexporte nach Israel

ECCHR, März 2025


Judith Hackmack und Sarah Imani 

Reparations for European Colonialism: From the Movement to the Law and Back?

The Global Community Yearbook of International Law and Jurisprudence, November 2024

 

Kalika Mehta, Sarah Imani und Leokadia Melchior 

Prosecutions Across Borders: A TWAIL Review of Universal Jurisdiction Practice: The Case of Germany 

Journal of International Criminal Justice, Dezember 2024 

 

Sarah Imani und Elise Pape

The (Non)Recognition of the Herero and Nama Genocide: Transnational Struggles for Restorative Justice and Reparations

Journal of Contemporary History, Januar 2025.

 

Sarah Imani 

Reparationen als postkoloniales Völkerstrafrecht?  

Postcoloniales Völkerstrafrecht? in: M. Abraham/ G. Stefanopoulou (Eds.), Nomos, März 2025

PODCAST/RADIO/VIDEO

Wolfgang Kaleck

Kriegsverbrechen in der Ukraine - Wieviel Macht hat das internationale Recht?
BR Kulturleben, 10. April 2025


Wolfgang Kaleck

Interview mit Tilo Jung

Jung & Naiv, 20. Februar 2025


Wolfgang Kaleck

Human Rights Attorney Wolfgang Kaleck on Double Standards in International Law, from Russia to U.S.

Democracy now, 21. März 2025


Joumana Seif

Statement vor dem UN Sicherheitsrat (ab Min. 46:40)

United Nations (or Webtv.un), 25. März 2025

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