Am nächsten Morgen, dem 21. Februar, wurden die Toten nach dem Totengebet auf dem Friedhof in der Awni Zahir Straße beigesetzt. Dieser Tag hat mein Leben verändert. Meine Frau und ich hatten Pläne, wollten unsere Tochter behütet aufziehen, ihr ein gutes Leben ermöglichen. Doch all das wurde zerstört. Israel hat mir mein Zuhause genommen, meine Familie, meine Hoffnung. So wie es jedem Einzelnen in Gaza widerfährt. Meine Frau und ihre Familie waren Zivilisten. Sie hatten keinerlei Verbindung zu bewaffneten Gruppen. Drei Jahre lang arbeitete meine Frau als Anwältin im Palästinensischen Zentrum für Menschenrechte. Zu dieser Realität gehört auch, dass ich mehrfach vertrieben wurde. Immer wieder flohen wir, lebten in Notunterkünften aus Blech. Am 4. Dezember 2024 traf eine Bombardierung den Ort, an dem wir untergekommen waren. Mein Vater, meine drei Brüder, der Ehemann meiner Schwester, seine zwei Töchter und weitere Verwandte kamen ums Leben. Nur meine Mutter, meine beiden Schwestern und ich überlebten. Wir flohen nach Al-Mawasi bei Khan Younis. Am 5. Dezember zogen wir in das Haus meiner Schwester in Khirbet Al-Adas. Dort blieben wir, bis im März 2025 die nächste Eskalation begann – wieder begleitet von schweren Bombardierungen. Als ich vom Massaker in Al-Sultan hörte, wo viele Menschen getötet wurden, entschied ich mich, das Haus meiner Schwester zu verlassen. Ich wollte nicht noch mehr verlieren. Gemeinsam mit meiner Mutter und meinen Schwestern floh ich erneut nach Khan Younis. Dort leben wir bis heute. Unsere Lebensumstände sind katastrophal. Kochgas ist kaum zu bekommen, Lebensmittel sind unerschwinglich oder nicht verfügbar. Seit Beginn des Ramadans im März 2025 blockiert die Armee die Hilfslieferungen und auch sauberes Trinkwasser ist knapp. Wir leben in einer Hütte aus Zinkblech. Im Sommer wird es unerträglich heiß, im Winter eisig kalt. Ich habe Angst vor den ständigen Geräuschen der Flugzeuge. Vor wenigen Tagen wurde ein Ort in unserer Nähe bombardiert, viele starben. Es gibt keinen sicheren Ort im Gazastreifen. Auch wenn behauptet wird, Al-Mawasi sei sicher – gerade hier konzentrieren sich viele Angriffe. Täglich kreisen Quadrocopter und Apache-Helikopter über unseren Köpfen. Ihre Geräusche lassen die Angst nie verstummen. Ich rechne jederzeit mit dem Tod – im Schlaf, auf der Straße, beim Wasserholen. Doch das Wertvollste habe ich bereits verloren: meine Tochter, meine Frau, meine Familie. Mein Vater ist tot, meine Brüder, mein Schwager, meine Nichten, meine Cousins, Freunde – Menschen, die ich liebe. Mein Alltag besteht aus Warten. Ich knete Brot im Zelt, trage es zu den Lehmöfen, wo ich stundenlang anstehe, um es zu backen. Auch für Wasser stehe ich in langen Schlangen – für eine Gallone, die die Tankwagen bringen. Das ist mein tägliches Leben: Schlange stehen, um zu überleben. Ich wünsche mir nur eines: dass dieses Blutvergießen endet. Dieses Leid, das uns täglich begleitet. Ich habe mein Zuhause verloren, meine Familie, meine Hoffnung. Jede Sekunde wünsche ich den Tod – weil ich unter großer Anspannung und Angst lebe, weil es im Gazastreifen keinen sicheren Ort gibt. Wir alle leben im Schatten unseres eigenen Todes. Khan Younis, den 3. April 2025
(Anmerkung: Die Zeugenaussage wurde zur besseren Verständlichkeit redaktionell bearbeitet, ohne den Inhalt zu verändern.) |