Von Wolfgang Kaleck, ECCHR Generalsekretär 1999, noch vor der Gründung des ECCHR, stellte ich auf der Grundlage der Recherchen einer Journalistin Strafanzeige gegen einen ehemaligen Manager von Mercedes-Benz Argentina. Der Vorwurf lautete: Beteiligung am zwangsweisen Verschwindenlassen von Gewerkschafter*innen in den Jahren 1976/77. Unmittelbar nach ihrer Machtübernahme 1976 begann die Militärjunta ihren „schmutzigen Krieg“ gegen die Bürger*innen des Landes. Jeglicher Widerstand sollte gebrochen, jede abweichende Meinung getilgt werden. In seiner Kampagne operierte der Terrorstaat mit Folter, außergerichtlichen Morden und Verschwindenlassen in großem Stil.
Zwar wurden diese Verbrechen von der Armee verübt, doch diese hatte zivile Unterstützung, insbesondere in der Industrie. Mein Mandant Hector Ratto war Hauptbelastungszeuge im Verfahren. Er hatte die Entführung und ein Jahr der illegalen Haft und Folter überlebt. Trotz der von Journalist*innen, Gewerkschafter*innen und vom Wahrheitsprozess in Argentinien zusammengetragenen Beweisen für eine enge Kooperation zwischen der Junta und den Mercedes-Benz-Managern, die sich gemeinsam bemühten, Betriebsräte in den Autofabriken zu verhindern, wurde unser Antrag auf Eröffnung eines Verfahrens in Deutschland 2003 abgelehnt. Nun muss sich der ehemalige Manager Jahrzehnte nach den Verschleppungen seinen Richter*innen in Argentinien stellen.
Militärdiktaturen und autoritäre Regimes können sich oft auch deshalb an der Macht halten, weil sie von einflussreichen Vertreter*innen der Wirtschaft unterstützt werden. Die argentinische Junta wollte zudem ein neoliberales Wirtschaftsprogramm umsetzen und konzentrierte sich in ihren Übergriffen auf die organisierte Bewegung der Arbeitenden im Industriegürtel um Buenos Aires, insbesondere auf die Fabriken von Renault, Ford und Mercedes Benz. Von den zehntausenden Verschwundenen in den Jahren der Militärdiktatur Argentiniens gehörten nicht wenige der Arbeiter*innenbewegung an. Dieser längst überfällige Prozess, den das ECCHR mit seinem argentinischen Partner CELS begleiten wird, dürfte auch die Beteiligung mächtiger Konzerne an den Verbrechen unterdrückerischer Regimes zum Thema haben. Unabhängig davon, welches Urteil das Gericht letztlich fällen wird, ist das Mutterunternehmen Mercedes-Benz jetzt – ein weiteres Mal – aufgefordert, das Unrecht der Vergangenheit anzuerkennen und angemessene Wiedergutmachung zu leisten.
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