Im Browser öffnen

RUSSISCHE MILITÄRS VERKLAGT. EIN JAHR NACH MELILLA. GERECHTIGKEIT FÜR JEMENITEN.

JULI 2023 | NEWSLETTER 91

Im Angriffskrieg gegen die Ukraine richtet das russische Militär seine Attacken oft gezielt gegen Zivilist*innen und zivile Infrastruktur. Die Bombenangriffe, aber auch Hinrichtungen, Folter und sexueller Missbrauch, sind keine bloße Häufung willkürlicher Gewalttaten einzelner Soldaten, sondern Teil eines systematischen Angriffs Russlands auf die ukrainische Zivilbevölkerung – es sind, mit anderen Worten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit.


Das ECCHR unterstützt gemeinsam mit der Ukrainian Legal Advisory Group (ULAG) eine ukrainische Überlebende sexueller Gewalt. Beide Organisationen haben im Juni eine Strafanzeige beim deutschen Generalbundesanwalt eingereicht, um die russischen Verantwortlichen für das Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.


Mehr über diesen und andere Fälle erfahren Sie in diesem Newsletter!


Das ECCHR-Team

Ukrainische Überlebende sexueller Gewalt fordert Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Täter

Im Juni haben das ECCHR und ULAG gemeinsam in Deutschland eine Strafanzeige gegen zwei Angehörige des russischen Militärs sowie zwei ihrer Vorgesetzten eingereicht. Aufbauend auf das Weltrechtsprinzip soll mit der Klage eine Überlebende sexueller Gewalt, die von russischen Soldaten vergewaltigt wurde, unterstützt werden. Ziel ist es zudem, bestehende Lücken im ukrainischen Rechtssystem zu schließen und darauf hinzuwirken, dass in der Ukraine auch Vorgesetzte für die Vergehen ihrer Untergebenen belangt werden können.


Zwar haben die ukrainischen Behörden in Abwesenheit der Täter bereits Ermittlungen aufgenommen. Allerdings ist eine vollständige Strafverfolgung derzeit nur begrenzt möglich, da der anhaltende Angriffskrieg die Ermittlungen erschwert. Darüber hinaus weist das ukrainische Rechtssystem zentrale Lücken auf, die eine Verfolgung aller Täter nach internationalen Standards unmöglich machen. So stellt das ukrainische Recht Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht unter Strafe und kennt keine Vorgesetztenverantwortlichkeit. Das Prinzip der Vorgesetztenverantwortlichkeit zielt darauf ab, dass höherrangige Offiziere für die Verbrechen ihrer Untergebenen zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie davon wussten oder hätten wissen müssen und dennoch nichts unternommen haben, um diese zu verhindern.


Verbrechen wie im vorliegenden Fall sind aber keine Einzelfälle. Bis Juni 2023 wurden in der Ukraine bereits 208 Strafverfahren zu konfliktbezogener sexueller Gewalt (CRSV) eröffnet. Die Dunkelziffer nicht gemeldeter Fälle ist höchstwahrscheinlich deutlich höher. CRSV resultiert oftmals aus Untätigkeit der Befehlshaber, weshalb die Vorgesetztenverantwortlichkeit von entscheidender Bedeutung ist, um die Straflosigkeit der Täter zu verhindern.


Mehr zum Fall

WIRTSCHAFT UND MENSCHENRECHTE

Die Trümmer nach einem Bombenangriff in der Region al Foulaihy in Jemen. © Mwatana

Einmalige Chance für den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für Gerechtigkeit im Jemen zu sorgen

Zwei Familienangehörige von Todesopfern sowie ein Überlebender eines tödlichen Luftangriffes auf ihr Dorf im Jemen haben mit der Unterstützung des ECCHR, Mwatana for Human Rights und Rete Pace e Disarmo, Beschwerde gegen Italien beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereicht.


Im Oktober 2016 wurden bei einem rechtswidrigen Luftangriff der saudi-geführten Militärkoalition mit Bomben aus italienischer Produktion auf das Dorf Deir Al-Ḩajārī sechs Mitglieder der Familie Husni getötet und weitere verletzt. Am Tatort fanden sich Waffenteile, die darauf schließen lassen, dass bei dem Luftangriff eine Lenkbombe der Firma RWM Italia S.p.A. – einer Tochterfirma des deutschen Rüstungsunternehmens Rheinmetall AG – eingesetzt wurde.


Obwohl die Waffenexporte nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate im Widerspruch zum Vertrag über den Waffenhandel (ATT) stehen, wurden diese trotzdem von den italienischen Behörden genehmigt.


Dem EGMR bietet sich mit der Beschwerde die besondere Gelegenheit, sicherzustellen, dass europäische Staaten den Opfern von Kriegsverbrechen, die mit europäischen Waffen begangen wurden, Zugang zum Recht gewährleisten.


Mehr zum Fall

VÖLKERSTRAFTATEN UND RECHTLICHE VERANTWORTUNG

Rückschlag für Seenotrettung in Italien

Die scheinbar unendliche Geschichte der Kriminalisierung der Seenotrettung in Italien hat mit einer beunruhigenden Entscheidung des Richters im Iuventa-Fall eine neue Wendung genommen. Der Richter weigerte sich zu überprüfen, welche verfassungsrechtliche Legitimität die Straftat „Beihilfe zu illegaler Migration“ von Schutzsuchenden, die ins Land kommen, besitzt. Der italienische und europäische Rechtsrahmen, der “Beihilfe” verbietet, wird regelmäßig dazu missbraucht, die Kriminalisierung von humanitärer Hilfe und Solidarität mit Schutzsuchenden zu rechtfertigen. Dazu sagt Francesca Cancellaro, die Anwältin der Iuventa-Crew: “Wir haben uns gewünscht, dass der oberste Gerichtshof ein für alle mal eine Entscheidung über das Gleichgewicht von Grenzschutz und den Schutz von Menschenleben trifft. Diese Möglichkeit hat der Richter der Iuventa-Crew und allen anderen Beteiligten verweigert. Die Entscheidung ist nicht zufriedenstellend und erfüllt in keinster Weise unsere Erwartungen, weder in Bezug auf das Ergebnis, noch in Bezug auf die Begründung, wie es zu dem Urteil kam, aber das wird uns nicht stoppen. Wir werden weiterhin die europäische und italienische Rechtsprechung zur Beihilfe von illegaler Migration anfechten.”


Verfahrensbericht lesen

25 Jahre Rom-Statut – Reformen dringend notwendig

Nach zwei Ad-hoc Straftribunalen zu den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda in den Neunzigern, wurden Rufe aus der Zivilgesellschaft, von Staaten und der akademischen Welt laut, einen permanenten internationalen Strafgerichtshof einzurichten. Dies führte 1998 zu zwischenstaatlichen Verhandlungen in Rom, woraus das Rom-Statut hervorging. Mit der Einführung des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) trat dieses 2002 in Kraft.


Durch die Etablierung des IStGH wurden in den letzten zwei Jahrzehnten signifikante Fortschritte im internationalen Strafrecht erreicht. Zugleich gibt es aber Aspekte des römischen Statuts, die reformbedürftig sind. So sollten beispielsweise für das Verbrechen der Aggression – eines der wichtigsten Straftatbestände im Völkerrecht, das insbesondere 2022 von Russland mit dem Krieg gegen die Ukraine begangen wurde – dieselben Regeln wie für die anderen drei zentralen Straftatbestände gelten. Das würde bedeuten, dass diese Straftaten auch ohne die Zustimmung des Aggressorstaates am IStGH strafrechtlich verfolgt werden könnten. In Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft eine Klage von NGOs oder Betroffenen abweist, sollte das römische Statut eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen, da die Entscheidungen oftmals ohne Begründung getroffen werden.


Mehr über Völkerstraftaten und den Angriffskrieg gegen die Ukraine

Made in Europe, bombed in Yemen

Während europäische Länder öffentlich den Krieg im Jemen verurteilen, versagen viele dabei, den Export europäischer Waffen zu verhindern und tragen damit zu zahlreichen zivilen Opfern bei. Das ECCHR kämpft gegen Doppelstandards von europäischen Waffenexporten in Krisenregionen. 

Jetzt spenden

BORDER JUSTICE

Melilla: Ein Jahr ohne Gerechtigkeit, ein Jahr der Straflosigkeit

Vor einem Jahr, am 24. Juni, gelangten Schwarze Asylsuchende über die Grenzanlage bei Melilla nach Spanien. Dort wurden sie unmittelbar und gewaltsam zurück nach Marokko abgeschoben, teilweise endeten die Abschiebungen tödlich. Beim Massaker von Mellila starben 36 Menschen, 76 sind bis heute verschwunden und 470 wurden abgeschoben. Diesen Juni hat das ECCHR gemeinsam mit 300 NGOs ein Manifest unterschrieben, indem eine unabhängige und effektive Ermittlung des Massakers gefordert wird. Zudem sollen die Familien der getöteten Asylsuchenden entschädigt werden, die Suche nach den Vermissten aufgenommen werden und Spanien die Praxis der Pushbacks beenden.


Manifest lesen

ECCHR

Zwei offene Stellen im Bereich Verwaltung

Das ECCHR ist auf der Suche nach einer Bereichsleitung Finanzen und Administration und einer Bereichsleitung Personal. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das ECCHR heißt neue Trainees willkommen!

Anafee Fränznick ist seit Juni Trainee im Programm Border Justice.


Philipp Eschenhagen, Rebecca Militz, Lisa Pitz und Vera Bannhagel sind seit Juni Trainee im Programm Wirtschaft und Menschenrechte.


Anna Reichling ist seit April Praktikantin im Kommunikations- und Fundraising-Team.

FÜR GLOBALE GERECHTIGKEIT

Die Welt ist nur gerecht, wenn Menschenrechte universell gelten und

verwirklicht werden. Dafür kämpfen wir weltweit:
mit Betroffenen, mit Partner*innen, mit juristischen Mitteln.
Vielen Dank, dass Sie uns helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Jetzt spenden

Vergangene Veranstaltungen

Patrick Kauta sprach zu Beginn der Konferenz über seine Arbeit für Herero- und Nama-Vertreter*innen zu Fragen der Wiedergutmachung in Namibia. © ECCHR

Überlegungen zu Reparationen als individuell einklagbarer Rechtsanspruch

Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation, der Open Society Justice Initiative and Human Rights Watch, haben wir bei diesem Event Menschenrechtsanwälte*innen aus aller Welt zusammengebracht und mit ihnen über die Frage nach Reparationen diskutiert. Mit dabei waren unter anderem der Anwalt der Herero- und Nama-Repräsentanten, Patrick Kauka, der leitende Strafverteidiger am IStGH, Charles A. Taku sowie Wolfgang Kaleck und Sarah Imani vom ECCHR. Der Fokus der Veranstaltung lag auf den begrenzten juristischen Möglichkeiten für Opfer und Überlebende von kolonialen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie deren Nachfahren, die bis heute die Spätfolgen dieser Verbrechen ertragen müssen. Geographisch beschränkte sich die Debatte dabei auf Namibia, Tansania und Deutschland. Um die moralische und philosophische Debatte zu Reparationszahlungen in Deutschland zu kontextualisieren, beschäftigten sich die Teilnehmenden mit der Entwicklung des Rechts auf Reparationszahlungen, die Barrieren die Antragsteller aus dem Globalen Süden überwinden müssen und neue Versuche, um internationale Menschenrechte zu dekolonialisieren.


Aufzeichnung anschauen


Mehr über unsere Arbeit zu kolonialen Verbrechen und Reparationszahlungen

PODCAST

Andreas Schüller

"Wie können NGOs Verfassungs- und Menschenrechte schützen?"

Just Access, Podcast Episode 16, 10 Juli 2023

Sie haben Fragen zum Newsletter?
Lassen Sie uns in Kontakt bleiben!
+49 (0)30 69506023          newsletter@ecchr.eu
ECCHR

EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS
Zossener Straße 55 – 58
D – 10961 Berlin

+ 49 30 400 485 90
info@ecchr.eu

Wenn Sie diese E-Mail nicht mehr empfangen möchten, können Sie diese hier abbestellen.

twitter facebook instagram linkedin youtube
Bankverbindung
Name: ECCHR
Bank: Berliner Volksbank
IBAN: DE77 100 90000 885360 7011
BIC: BEVODEBB
Weitere Informationen zum Datenschutz und Impressum.